Rezension: Don DeLillo:Bilderflut in „Falling Man“

Schöne Literatur nach 9/11?

Man sagt Nine Eleven und jeder hat dabei gleich eine ganze Bilderflut im Kopf. Man sagt Nine Eleven und es fallen Begriffswolken wie kollektives Trauma, Bedrohung der Identität Amerikas, Verwundbarkeit der freien Welt, Kampf der Kulturen usw. Das hat sich größtenteils auch fast eineinhalb Jahrzehnte nach den Anschlägen nicht geändert. Was aber hat sich auf dem Gebiet der amerikanischen Literatur seither zu diesem Thema getan?

Auch wenn Zeit und Umstände einen Vergleich mit der Stunde Null 1945 eigentlich nicht zulassen,  erinnerten sich manche Kommentatoren in den Feuilletons an Theodor Adornos berühmten Ausspruch: Nach Ausschwitz Gedichte zu schreiben, sei barbarisch.Es gab ja nach den Anschlägen eine wahre Flut an Theoriebildungen und Studien, jede Menge Sachliteratur, Essays, Blogbeiträge usw. Aber konnte man nach 9/11 noch „Schöne Literatur“ schreiben?

Don Delillo hat es als einer von Wenigen versucht in seinem 2007 erschienenen Roman Falling Man. 6 Jahre nach dem Anschlag hat er zuerst einmal ganz viel Pathos herausgenommen.  Über einen Zeitrum von etwa 5 Jahren hinweg schildert er uns das Leben einer New Yorker upper middleclass Familie nach der Katastrophe, wobei er  eine Wiederholung der Bilder und Vorstellungen zu vermeiden sucht, die uns allen medial eingebrannt worden sind. Wir bekommen jetzt die Innenansicht. In vielen Szenen mit Dialogen und inneren Monolog-Schnipseln der Beteiligten.

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Autor DeLillo

Keith Neudecker, ein geschiedener Anwalt um die Vierzig aus Manhattan ist gerade dem Inferno im Südturm entkommen. Er trägt eine Aktentasche bei sich, die ihm nicht gehört und er flüchtet sich vor der Staub-und Schmutzlawine ausgerechnet in die Wohnung seiner Ex-Frau Lianne, die dort mit dem gemeinsamen Sohn Justin lebt. Liannes Mutter Nina Bartos, emeritierte Professorin, die von Anfang an gegen die Heirat war und gelegentlich noch ihren aus Europa stammenden Liebhaber empfängt, verfolgt ein paar Häuserblocks weiter das Geschehen mit Argusaugen und ist anfangs als kritische Kommentatorin und auch schon mal als Gegenspielerin ihrer Tochter im Roman präsent. Die Spur der Aktentasche führt bald zu einer Beziehung zwischen Keith und Florence, die ebenfalls in den Türmen dem Tod entkommen ist und diese gemeinsame Erfahrung, so scheint es, verschafft den beiden eine fast verschwörerische Nähe, wobei ein zukuntsfähiges Sicherkennen letztlich nicht stattfindet.

In einer impressionistischen  Darstellungsweise mit häufigen Szene-, Orts-, und Perspektivwechseln und in klarer eindringlicher Sprache schildert der Autor das Geschehen.

Nach der Trennung hatte sich das Paar Keith und Lianne,  symmetrisch, wie es heißt,  Kleingruppen angeschlossen: Keith hatte mit fünf anderen Spielern wöchentlich seine Pokerrunde, Lianne widmete sich einigen Männern und Frauen mit Alzheimer im Frühstadium; mit diesen führt sie Erzählmal-Sitzungen durch. Während viele Menschen damit beschäftigt sind, Erinnerungen zu verdrängen, sind diese  geradezu erpicht darauf, nicht zu vergessen. Don DeLillo gibt uns in Falling Man keine Vorstellung von einem kollektiven Trauma, es geht um individuelle Verletzungen und Ängste und Trauer. Das kollektive Trauma  entspricht eher der Wahrnehmung der Politik, welche die Nation, gepuscht durch die immer wieder gleichen Bilder und Parolen  im Schmerz und Verlust sozusagen emotional vereint sehen will. 

DeLillo erzählt nicht chronologisch, der Roman beginnt und endet mit den Vorfällen von 9/11, dazwischen werden Zeiten davor und danach beschrieben. So werden nach und nach die verschiedenen Bewältigungsstrategien der Charaktere  dargestellt und – das war für mich als Leser angenehm herausfordernd – der Autor gibt sich nicht als Allwissender und Allesversteher aus. Am besten scheint Mutter Nina mit der Situation klarzukommen:

Die Leute lesen Gedichte. Leute, die ich kenne , lesen Gedichte, um den Schock und Schmerz abzumildern, sich irgendwie einen Raum zu eröffnen, mit etwas Wunderschönem aus Sprache, um sich Trost oder Fassung zu spenden. Ich lese keine Gedichte. Ich lese Zeitung.

Justin und die Nachbarkinder suchen mit dem Fernglas den Himmel nach Flugzeugen ab und tuscheln von einem Mann namens Bill Lawton, den richtigen Namen Bin Laden haben sie „verhört“, ein Freudscher Verhörer sozusagen. Keith und Florence, als unmittelbar betroffene Gerettete fühlen sich in einer Art Auserwähltheit, sie ergänzen sich in ihren Erinnerungen:

Ihm wurde klar, dass nur sie miteinander reden konnten, bis ins kleinste und ödeste Detail, aber zu öde oder zu detailliert würde es nie sein, denn es steckte jetzt in ihnen, und er musste unbedingt hören, was in seinen Erinnerungsskizzen fehlte. Dies war ihr gemeinsames Feld des Deliriums…

Aber es ist eine heikle, furchtbar anfällige Verbindung, die keinen unangekündigten Windhauch zu überstehen scheint. Keith hat ein stabiles Selbstkonzept verloren, Florence scheint recht zu haben, wenn sie sagt, die Wiedervereinigung mit Lianne sei nur eine gedankenlose Geste gewesen. Lianne sieht überall die Türme, selbst wenn zwei Flaschen nebeneinanderstehen. Auch die Alzheimer Patienten wollen jetzt über die Flugzeuge schreiben. Justin will sich nur noch in einsilbigen Worten ausdrücken und weigert sich hartnäckig an den Einsturz der Türme zu glauben. Verdrängung, Erinnerungszwang und freiwilliges Erinnern: der Autor schreibt alles so echt und passend zu den Personen, dass man als Leser bald nicht mehr glauben kann, dass es sich bei dem Erzählten um Fiktion handelt. Doch nicht alle Verhaltens-, Denk-, und Lebensweisen der Dargestellten  sind  Folge der Katastrophe. 

DeLillo zeigt auf, dass manche der seltsamen, skurrilen oder zwanghaften Verhaltensweisen der Personen zwar durch die Bilder und das Erleben des Anschlags verstärkt wurden, aber die entscheidenden Weichenstellung für die subjektiven Folgeerscheinungen längst vorher stattgefunden hat. Diese persönlichen Vorgeschichten, die ich hier nicht ausbreiten möchte, nehmen etwas den Fokus von 9/11 und führen die Protagonisten  weg von der Opferrolle, in der man sie als Leser aus Mitgefühl gleich sehen will.

Es klingt banal, wird aber doch oft übersehen: Auch schon vor 9/11 haben Menschen im amerikanischen Alltag vermehrt psychische Auffälligkeiten gezeigt, und zwar folgerichtig mit der Erweiterung der Diagnosen im DSM Manual of Mental Disorders.  Die posttraumatische Belastungsstörung ist sozusagen eine amerikanische Erfindung und die Zahl der Betroffenen stieg ständig. Vor 9/11!. Nach dem Anschlag leiden auch heute noch Zehntausende an dieser Krankheit.

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9/11

Alle Personen im Roman haben Bedürfnisse, die sie nicht verstehen und der Autor fängt glücklicherweise nicht an, darüber wie die Theoretiker zu dozieren. Wir hören kaum etwas von Tagespolitik, nichts vom Irakkrieg, wir haben eine private Welt, die schon brüchig war, als New York noch keinen Ground-Zero hatte. Wenn Lianne mit Kierkegaard längst vor 9/11 ausruft: Das ganze Dasein ängstigt mich, kann es auch durch einen Schock fast keine Steigerung mehr geben.  Und der Pokerspieler Keith hat schon zuvor paranoide Anwandlungen, er pflegte spät nach Hause zu kommen, ein bisschen verrückt, sein Gesicht glänzte. Das war die Phase, nicht lange vor der Trennung, als er die simpelste Frage als feindliches Verhör auffasste…Es war sein Charakter, sein angeborenes Gesicht, ohne das ausgleichende Element, die Ansprüche des sozialen Kodexes. 

Erst der dritte Hauptabschnitt ist dem symbolträchtigen Falling Man gewidmet, auch wenn er vorher schon in einer kürzeren Szene Lianne begegnet war. Es handelt sich um einen Performance-Künstler – der Autor nennt ihn David Janiak -, der unangemeldet an den verschiedensten Orten in der Stadt auf Dächern und Balkonen eine Begebenheit nachstellt, die der Fotograf Richard Drew aufgenommen hatte, und die um die Welt ging: den Todessturz eines Mannes, kopfüber vom Nordturm, aus seinem brennenden Büro. David Janiak wird aus  Liannes Sicht geschildert, zwei Jahre nach 9/11, 2003 hörten die Performances auf. Auch dieser Abschnitt war so lebensecht beschrieben, dass ich nach David Janiak gegoogelt habe: der Mann ist Fiktion. Aber die Welt ist so absurd geworden, als könnten jederzeit Menschen vom Himmel fallen.

Keith ist inzwischen als Pokerspieler in den Casinos der ganzen Welt unterwegs, schottet sich ab und geht im Pokerspiel auf: Das waren die Momente, wenn es draußen nichts gab, kein Aufblitzen von Geschichte oder Erinnerung. Und Lianne? Sie stritt mit sich selbst, aber das war kein Streit. Nur die Geräusche, die das Hirn macht. In mehreren   Abschnitten wird über das Pokerspiel berichtet, in der privaten Runde vor 9/11 und dann in den Spielhöllen. Wer sich mit Poker nicht auskennt, so wie ich, wird als Leser(in) in diesen Abschnitten etwas Mühe haben, aber die Schilderung dieser Männer mit ihren bis zur Absurdität verfeinerten Ritualen haben in ihrer Dichte und Eindringlichkeit etwas von Faulkner oder auch Beckett.

Und die Terroristen?Am Ende jeden Hauptabschnittes schildert sie der Autor bei den Vorbereitungen zum Anschlag. In Hamburg, in Nokomis, im Hudson-Korridor. Als Schläfer und unauffällige Überzeugte, ihre einzige Pflicht zu erfüllen, Amerikaner zu töten. 

Ja, es ist traurig, es ist melancholisch, es ist Blues. Wahrscheinlich ist die vergangene Zeit  zu kurz, um geglückte Liebesgeschichten in diesem Stoff unterzubringen. Das Buch habe ich diesen Sommer gelesen, ein großes Leseerlebnis, ich kann es uneingeschränkt empfehlen, auch wenn uns gerade ganz andere Probleme berühren.

Der inzwischen fast 80jährige Don DeLillo (Biographie und Werk) war stofflich schon früher bei den Schattenseiten Amerikas angelangt und hat 1988 in Libra die Ereignisse und Machenschaften geschildert, die zur Ermordung Präsident Kennedys geführt haben. Der Autor wird wie manch anderer amerikanischer Autor immer wieder als Anwärter auf den Literatur- Nobelpreis genannt.

Literaturblog Herbert Steib
Cover Falling Man

Don DeLillo, Falling Man. Roman. 

Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert, Kiepenheuer & Witsch Verlag Köln,
304 Seiten, € 19, 95.

 Für Interessierte: Auf dem Literaturblog zeichenundzeiten.com gibt es zwei hervorragende Rezensionen von 2 früheren Romanen DeLillos zu lesen, darunter wohl sein Hauptwerk Underworld(deutscher Titel:Unterwelt):

Rezension zu:  „Weißes Rauschen“

Rezension zu:„Unterwelt“

John Cheever. Stories

Literatur der Vorstädte

Literatur und Schreiben-John Cheever
John Cheever 1912-1982

John Cheever: Man nennt ihn den Chronisten der Vorstädte, manche vergleichen ihn mit Tschechow oder Faulkner. Fest steht für mich: er ist einer der ganz Großen der amerikanischen Literatur. In den letzten Jahren hat er in Deutschland durch die vielgelobten, im DuMont Verlag erschienenen Neuübersetzungen von Thomas Gunkel eine Art Revival erlebt. Der 1912 in Massachusetts geborene Autor hat die meisten seiner Short Stories im Magazin The New Yorker veröffentlicht, später auch noch in anderen Zeitschriften, beispielsweise im Playboy. Mit seinen beiden skurrilen und temporeichen Familienchroniken Die Wapshots (1957) und Der Wapshot Skandal (1964) wurde er einem internationen Publikum bekannt und 1958 mit dem National Book Award ausgezeichnet. Zuletzt gab es 1977  für seinen Gefängnis-Roman Falconer viel positive Kritik. Ein Jahr darauf gewann er dann alles, er erhielt  für seine Sammlung The Stories of John Cheever den Pulitzer Prize, den American Book Award und den National Book Critics Circle Award. 1982 starb John Cheever.

Ich habe zum Wiederlesen meine zwei Rowohlt Taschenbücher in der alten Übersetzung herangezogen. (Auch eine Art von Nachhaltigkeit). Sie beinhalten Stories von 1947 bis 1978, darunter die bekanntesten und besten Geschichten aus den preisgekrönten Stories of John Cheever. 

Literatur und Schreiben - John Cheever
2 Bände Erzählungen

Beginnend in den 1950er Jahren gab es eine Entwicklung in den USA, dass Schwarze aus dem Süden massenhaft in die nördlicheren Großstädte abwanderten, worauf später wiederum Reiche und Mittelklasse-Familien diese verließen, um der Zunahme der Kriminalität, Verschmutzung und eingeschränkten Lebensqualität durch Vermassung zu entgehen. (The White Flight). In ihren fein säuberlich aufgereihten Häusern gaben diese weißen Familien äußerlich ein vorbildliches Bild ab an Anpassung und Konformität.  Von Individualität und eigener Lebensgestaltung oder persönlichem Unterscheidungwillen war wenig zu sehen und zu spüren. 

Literatur und Schreiben-Suburb
Suburb in den 1960ern

Das ist der Erlebnisraum, in dem die meisten von Cheevers Geschichten ihren Lauf nehmen. Die Schauplätze heißen Shady Hill, Bullet Park oder Westchester und die Menschen scheinen für das amerikanische Glück ausersehen. Hinter Spanischem Flieder und Zierahorn,  irgendwo zwischen Manhattan und Long Island, in einem jungen, blühenden  Land , sieht alles nach perfekter Harmonie und Idylle aus. 

Literatur und Schreiben - Vorstadt
Vorstadt intern

John Cheever, der selbst mit seiner Familie in einem dieser Vororte gelebt hat, weiß Bescheid. Wie beiläufig und mit viel feiner Ironie begibt er sich in den Schatten der aufgeräumten Häuser mit ihren Swimming Pools –  und schon bröckeln die romantischen Fassaden , ja manchmal stürzen sie unvermittelt ein. Mit spärlichen hingeworfenen Sätzen charakterisiert der Autor seine Personen. Mrs. Pastern, sie war eine blasse Frau. Ob sie nun auf ihrer Terrasse oder in ihrem Wohnzimmer saß, sie meißelte an ihrem Selbstbewusstsein wie an einem Stein.  

Sie sammelt für die Leberkranken, alle Frauen haben ehrenamtliche Tätigkeiten. Die Mühe, von Haus zu Haus zu gehen, nahm Mrs. Pastern mit der gedankenlosen Ergebenheit eines ehrlichen und der Tradition verhafteten Arbeitstieres auf sich. Es war ihr Schicksal; es war ihr Leben. Nein, unabhängige selbstbewusste Frauen, gar gleichberechtigte,  finden sich in den Geschichten nicht. Strebsame und Angesehene schon. (Manch älterer Leser wird sich an seine Mutter erinnern in den Fünfziger, Sechziger Jahren.) Und die Männer sind voller Angst vor Statusverlust, neurotisch und zwanghaft um ihr Ansehen bemüht.    

Als Mrs. Pastern schließlich alle Familien ihrer Nachbarschaft bis auf zwei abgeklappert und hie und da ein Glas Sherry getrunken hat, bilanziert sie: Die Beiträge waren höher als im Jahr davor, und wenn ihr das Geld auch nicht gehörte, so erregte es sie doch, ihre Mappe mit hohen Schecks vollzustopfen. Während sie das Essen macht, soll ihr Mann die restlichen zwei Familien besuchen. Die Nachbarin Mrs. Flannagan ist allein, ihr Mann verreist, sie trinken Whisky, sie suchen ihr Scheckbuch im Schlafzimmer, was folgt,  wird so beschrieben: So etwas habe ich noch nie getan, sagte sie später , als er sich zum Aufbruch fertigmachte. Wieder zuhause lügt Charlie Pastern: „Ich habe mit den Flannagans noch ein bißchen was getrunken. Ihr  Mann ist überraschend nach Hause gekommen.“ Es wird ihm klar, wie fremd sie sich geworden sind, er schiebt es auf die Frau und hat keine Schuldgefühle,  sich weiter mit Mrs. Flannagan zu treffen. Eines Tages lässt sie ihn vergeblich warten.  In einem Restaurant zwischen eins und zwei versetzt worden zu sein hat nichts Besonderes – es ist ein geistiges Niemandsland, dessen verdorrte Bäume, Schützengräben und Rattenlöcher uns allen, die wir immer wieder von der Leichtgläubigkeit unseres eigenen Herzens entwaffnet werden, vertraut sind. Am Telefon erklärt sie Charlie, dass sie es mit dem Gewissen nicht mehr vereinbaren könne, sich weiter mit ihm zu treffen. Nach der Vorlage: „Ich bin eine gute Mutter“ oder „Ich bin eine geduldige Ehefrau“. Der Schluss der Geschichte – der Ehebruch fliegt auf –  ist wie der Schluss vieler anderer Stories von Cheever melancholisch und vielschichtig, keiner kommt ohne Gesichtsverlust davon, oft sind es die Dienstleistenden, das Fußvolk gewissermaßen, Kellner, Putzfrauen,Barkeeper, einfache Mitreisende, die den Schleier lüften, sie sind die eigentlichen Wissenden, die Aufgeklärten.

Nicht immer liegen die Motive der handelnden Personen so klar auf der Hand. In seiner wohl bekanntesten Erzählung, die 1968 auch verfilmt wurde, Der Schwimmer,  führt Cheever uns, von einem realistischen Geschehen ausgehend,  in eine atemlose, surreale Szenerie. Es war einer jener Tage im Hochsommer, an denen alle Leute herumsitzen und sagen: „Ich hab gestern abend zuviel getrunken.“ Man saß am Rande des Westerhazyschen Schwimmbassins. Neddy Merrill saß neben dem grünen Wasser und ließ eine Hand hineinhängen…  Die Sonne, sein tiefes Glücksgefühl, alles schien in seinen Brustkasten einzuströmen…Sein eigenes Haus lag in Bullet Park, acht Meilen weiter südlich, und seine vier hübschen Töchter hatten dort wahrscheinlich schon zu Mittag gegessen und spielten Tennis. Da fiel ihm ein, dass er einen Bogen nach Südwesten schlagen und so sein Haus auf dem Wasserwege erreichen könne. 

Er schwimmt von Schwimmbassin zu Schwimmbassin durch den ganzen Bezirk nach Hause. Er fühlt sich als Held. Die neue Route, die er sich für den Heimweg ausgedacht hatte, gab ihm die Gewissheit, ein Pilger, ein Forscher, ja, ein Mann mit einem Schicksal zu sein, und er wusste, dass er überall am Wege Freunde finden würde. Neddy befindet sich in einer anderen Welt, die Menschen sprechen ihn auf bedrohliche Ereignisse aus seinem Leben an, von denen er nichts weiß. Er überquert Zäune und Autobahnen, es ist wahnwitzig.  Hatte er das Gedächtnis verloren, sollte ihm etwa entfallen sein – dank seiner Gewohnheit, schmerzliche Tatsachen einfach zu verdrängen – , dass er sein Haus verkauft hatte, dass seine Kinder Not litten und sein Freund krank gewesen war? Die Beschreibung des Endes dieser selbstauferlegten Odyssee Neddy Merrills durch sein Leben ist ein schriftstellerisches Meisterstück. Cheever kommt ohne theoretische oder moralische Fingerzeige aus, alles entwickelt sich aus Dialog und Handlung und den erzeugten Stimmungslagen.

Manchmal scheint es, als seien die beschriebenen Bewohner vom Schicksal regelrecht in die Falle gelockt worden. In der Story Der Ozean hat die Frau des Ich-Erzählers Feuerzeugbenzin in die Salatsauce gemischt. Außerdem ist ihm gerade gekündigt worden. Er hat das Gefühl sich in Gefahr zu befinden. Sie werden sich mit Recht fragen, was ich an einem Wochentag vormittags in Bullet Park tue. Die einzigen anderen Männer in der Umgebung sind drei Geistliche, zwei Invaliden und ein alter Kauz in der Turner Street , der nicht ganz richtig im Oberstübchen ist…Was bin ich? Was tue ich?

Man muss die Eleganz und Pointiertheit einfach genießen, mit der Cheever die Bühne bereitet, ja heraufbeschwört. Flannellhosen und Gabardinemäntel sind nicht mehr en vogue, die Welt sieht heute anders aus, aber noch immer sind es dieselben  Abweichungen,  welche Menschenleben aus den Fugen geraten lassen, dasselbe Verlangen nach Geld, Ansehen  und Macht, welches die  Ängste nährt. Die Ironie ist Stilmittel, um eine gewisse Distanz zu schaffen, stellt den Erzähler aber nicht moralisch höher, es ist kein Zynismus. Es wimmelt von Berufs- und Ehekrisen, es wird eine Menge Alkohol getrunken  in den Erzählungen, Verdrängung und Wirklichkeitsflucht bei den Handelnden evozieren ein Bild von Ohnmacht, das beim Leser Mitgefühl auslöst, eine Haltung, die  der Erzähler nicht immer einzunehmen scheint. Details sind genau plaziert und haben suggestive Wirkung: Das Schlimmste war die Kälte, die ihm in den Knochen saß, und das Gefühl, nie wieder warm zu werden. Um ihn herum fielen die Blätter, und der Wind trug den Geruch brennenden Holzes zu ihm herüber. Wer in aller Welt verbrannte um diese Jahreszeit Holz? 

Für die Menschen scheint es das Dasein nur als unabänderliches amerikanisches Ritual zu geben, ähnlich wie in Sherwood Andersons Winesburg oder Faulkners Südstaatenwelt wirkt das Leben der Menschen bei Cheever oft überfrachtet, das pflichtgemäße Gutmenschentum, die Ämter in der Kirchengemeinde, sie sind überfordert, was natürlich keiner zugeben würde, und sie sind häufig nur Reagierende, und nie geht es schnell genug, reich zu werden. Wenn am Sonntag schönes Wetter war, gingen sie unter den begüterten Menschenmassen auf der oberen Fifth Avenue spazieren. Dann hatte Ralph das Gefühl, es sei nur noch eine Frage von einem Monat, höchstens von einem Jahr, bis er den Schlüssel zum längst verdienten Wohlstand in der Hand hielt. Sie gingen spazieren, bis es Abend wurde, gingen dann nach Hause, machten zum Essen eine Dose Bohnen auf und aßen als gesunden Ausgleich einen Apfel zu Nachtisch.(Der Topf voll Gold).

Danke, John Cheever, das war ein starkes Wiederlese-Erlebnis. Hier kann ich uneingeschränkt sagen: Unbedingt lesen!!

Der Schwimmer, DuMont Buchverlag Köln 2009, 352 Seiten, ISBN 978-3-8321-8031-7, Übersetzung Thomas Gunkel

1994 sind seine Tagebücher auf deutsch erschienen. Ich habe sie noch nicht gelesen, aber offenbar enthüllt er darin eine vielschichtige und hypersensible Persönlichkeit samt Depressionen, Alkohoholsucht, Bisexualität und Selbsthass. siehe dazu auch: Schreiben mit Promille

Edgar Lawrence Doctorow: In Andrews Kopf

Der 1931 als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer in New York geborene und letztes Jahr verstorbene E.L. Doctorow-seine beiden Vornamen verweisen auf Edgar Allan Poe und D.H. Lawrence-gehörte in Amerika zu den großen Schriftstellern der Alten Generation wie etwa Philip Roth, John Updike, Susan Sontag, Saul Bellow oder DeLilloSeine früheren auch verfilmten Romane Ragtime und Billy Bathgate werden noch heute in der ganzen Welt bewundert, diese weit ausholenden Zeitgemälde, in denen er Fiktion mit historischen Fakten und Personen raffiniert und gekonnt vermischt. Was so etwas wie sein Markenzeichen wurde. Und er hat außer dem Literatur-Nobelpreis die bedeutendsten Preise erhalten.

E.L.Doctorow Bildquelle:www.kiwi.de, Gasper Tringale
E.L.Doctorow
Bildquelle:www.kiwi.de,
Gasper Tringale

In Andrews Kopf(Originaltitel Andrew’s Brain) hat der Leser gleich zu Anfang einiges zu sortieren und einzuordnen: Der Erzähler, so erfahren wir, der von seinem Freund Andrew, dem Kognitionswissenschaftler, erzählt, ist Andrew selbst. Und er erzählt seine Geschichte einem Gegenüber, einem Psychiater, der als Projektionsfläche dient, der nicht weiter als Charakter entwickelt wird, außer, dass er manchmal Fragen stellt und als Stichwort-Geber fungiert und auch ab und zu an Andrews Berichten zweifelt(Wie der Leser?)

Der unzuverlässige Erzähler

Andrew, der im Laufe des Buches immer wieder von der ersten in die dritte Person wechselt, ist offenbar ein Traumatisierter, wie ein Blinder im fallenden Schnee, dem eine Rede-und Schreibtherapie verordnet wurde. Ein derartiges Setting ist ja in der Literatur nicht unbekannt (vgl. z.B.  Max Frisch: Stiller) und bedient ein amerikanisches Klischee: Wer Probleme hat, heuert sich einen Shrink an. Andrew, als betrachte er sich als ein Fremder, beginnt seine Schilderung damit, wie er mit einem Baby auf dem Arm vor der Tür seiner Exfrau Martha steht; seine neue junge Frau Briony, die Mutter des Kindes  ist gestorben und er kann  die Situation nicht mehr bewältigen  und braucht Hilfe.

Marthas riesiger Ehemann, der Andrew einen Täuscher nennt, Andrew der Täuscher,  ist davon natürlich nicht begeistert und wir erfahren von Andrews „Talent“, bei allem, was er anfängt, eine Spur des Verderbens hinter sich herzuziehen.

Und Andrew erzählt, monologisiert, schweift ab, ohne sich an eine lineare zeitliche Abfolge zu halten, gibt zwischendurch etwas an mit neuen Erkenntnissen der Kognitionswissenschaft, Ihr Gebiet ist die Seele, meins das Gehirn, sagt er. 

Glauben Sie mir, Sie werden arbeitslos. Was können wir, die wir vom Baume der Erkenntnis gegessen haben, anderes tun, als uns zu biologisieren? Schmerzen vertreiben, Leben verlängern…

Andrew berichtet über sein großes Unglück, dass er seinem ersten Kind, das er mit Martha hatte, eine von der Apotheke falsch gelieferte Arznei gab, eine Handlung, an deren Folgen das Baby dann starb. Martha war darauf unheilbar beschädigt,  konnte ihren Beruf als Klavierlehrerin nicht mehr ausüben. Und jetzt ist auch noch Andrews zweite Frau tot. Und Andrew nimmt die ganze Schuld auf sich, das scheint seine Bewältigungsstrategie zu sein. Andrew, der zwischen Schuldanerkenntnis, Trauma, Verdrängungen und Depressionen hin-und hergeschüttelt wird, schildert eindringlich und manchmal widersprüchlich das weitere Geschehen. 

Der ständige Wechsel in die dritte Person zeigt, dass Andrew am liebsten ein anderer wäre, er würde aus seiner Haut schlüpfen, wenn er könnte, alles ungeschehen machen. 

Nach dem Tod der Tochter und der Trennung von Martha  begibt Andrew sich auf die Flucht, das Gehirn zugedröhnt von der Erkenntnis, dass man etwas Unabänderliches getan hat. An einem staatlichen College am Fuße des Wasatch-Gebirges in Utah unterrichtet er einen neurowisssenschaftlichen Grundkurs und verliebt sich in die junge Mathematikstudentin Briony. Na, dachte ich beim Lesen, diese Professor-Studentin-Geschichte ist aber auch schon toterzählt (siehe z.B. Philip Roth: Der Professor der Begierde), doch hier wird gezeigt, bei allem „Talent“ zum Unglück und zu Widrigkeiten und Pannen, dass Andrew durchaus befähigt ist, Glück zu empfinden. Im Leben mit Briony.

Glück besteht darin, in der Alltäglichkeit des Lebens zu stehen und nicht zu wissen, wie glücklich man ist. Wahres Glück kommt davon, dass man glücklich ist, es ist eine animalische Heiterkeit, irgendwo in der Mitte zwischen Zufriedenheit und Freude, eine Beständigkeit des Ichs an seinem Platz in der Welt.

Aber gerade diese Beständigkeit des Ichs geht Andrew ja völlig ab, und so ist es wohl hauptsächlich Wunschdenken, das ihn leitet, als er mit Briony nach New York zieht, wo er Lektor ist für einen Lehrbuchverlag. Andrew gibt uns  herrliche Beschreibungen vom West Village, geradezu lyrische, ja euphorische Ausbrüche an manchen Stellen des Romans, typisch für Manisch-Depressive Erkrankte, und so kam mir Andrew zeitweise auch vor: wie ein Patient mit extremen Stimmungsschwankungen. Ein abnorm depressiver neurowissenschaftlicher Tollpatsch, so bezeichnet er sich einmal selbst, was der Psychiater gerne aufnimmt und als Selbsthass einstuft.

Als das Baby da war, schickte der alte italienische Bäcker uns eine Torte, von den Koreanern kam ein Obstkorb, alle alten Damen aus der Nachbarschaft hatten Brionys Schwangerschaft verfolgt, die werdende junge Mutter war überall bekannt, und als sie an einem Frühlingstag zum ersten Mal mit Willa nach draußen ging, die in einem Tragetuch an ihrer Brust lag, tauchten ständig Leute auf, als hätten sie nur darauf gewartet, es wurde so etwas wie eine königliche Prozession, Mutter und Kind…

Das ist leicht hingesagt im Hochgefühl der Manie. Doch an 9/11 2001, beim Training zum bevorstehenden New-York-City Marathon,  kommt Briony um. Verzweifelt und völlig überfordert bringt Andrew das Baby zu seiner Exfrau Martha und ihrem riesigen Ehemann, und es sieht aus, als könnte das Kind  einen „Ersatz“ darstellen für Martha für die  durch das Medikamentenunglück verstorbene Tochter. Andrew wirkt wie einer, der sich im Leben verlaufen hat, es aber nicht merkt.

Es passiert noch viel Erstaunliches, um nicht zu sagen Groteskes, viele Anspielungen auf Literatur und  Politik und Zeitgeschichte sind nach Doctorowscher und postmoderner Manier auch in diesen Roman verwoben.  Mark Twain, von Doctorow sehr geschätzt, scheint im Hintergrund manchmal verschmitzt zu lächeln, wenn auch noch George W. Bush mit seinen Ministern Chaingang und Rumbum auf der Bühne erscheinen.  Andrew gibt zwar dem Leser den Eindruck, als hätte er ein Konzept realistischer Darstellung, aber der Leser zweifelt , leidet mit, glaubt ihm dann dann wieder, lacht und trauert: was ist das nur für ein genialer Meister, dieser E.L. Doctorow. Da erinnert sich Andrew an eine Europa-Tour als Yale-Student, an die Fehlgeburt einer Freundin, belehrt seinen Psychiater (und den Leser) über Schwarmgehirn und Staatenhirn, kommt unvermittelt auf Wittgenstein oder Walt Whitman zu sprechen, um im nächsten Satz Emerson zu kritisieren. Das alles auf höchst spannende und unterhaltsame Weise. Da nicht ohne Weiteres zu erkennen ist, was an den Darstellungen Andrews Realität ist, was erfunden oder konfabuliert, bietet der Roman vielerlei mögliche Lesarten an:

Wir können an das amerikanische Standardmodell denken der Problembewältigung, an eine Rede-und Schreibtherapie des traumatisierter Andrew, der sich sozusagen neu erfindet, um überhaupt weiterleben zu können und nach den  durchstandenen Dramen nicht in totaler Versteinerung zu enden.

Wir könnten erkennen, dass, wenn Welt-und Sinnhaltigkeit im persönlichen Erleben verloren sind, die Kognitionswissenschaft oder auch eine andere Wissenschaft nicht weiterhelfen. Denn auch Andrew kommt mit seiner Wissenschaft schnell an Grenzen:

Wer Wissenschaft betreibt, muss tapfer sein. Es hat mich sehr mitgenommen, als experimentell nachgewiesen wurde, dass das Gehirn eine Entscheidung treffen kann und wir uns dessen erst Sekunden später bewusst werden… Es werden noch raffiniertere Experimente kommen, und dann ist erwiesen, dass der freie Wille eine Illusion ist. 

Man kann den Roman ebenso lesen als Zeitsatire auf die Neuro-Wissenschaften, die mit angeblich so bahnbrechenden Erkenntnissen in erster Linie mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten. Tatsächlich streiten ja heutzutage verschiedene Wissenschaften darum, wer denn die Deutungshoheit besitze zum Thema  Bewusstsein und Welterklärung.

E.L. Doctorow hat in seinem letzten Roman gezeigt, welch artistische erzählerische Möglichkeiten er beherrscht; mit Humor, Ironie und Schlitzohrigkeit gewürzt, nicht so weit ausholend wie in Ragtime zwar, mit weniger Personal, dafür umso konzentrierter, beschreibt er den Menschen auf der Suche , nach sich, nach Orientierung, nach dem Glück. Nichts Besonderes, oder? Das Besondere ist die kunstvolle Art des Erzählten, die in der Diktion und Struktur des Textes direkt fühlbare Suchbewegung und Ratlosigkeit Andrews über das ungleichgewichtig verteilte Leid. Und die brillante Schreibweise. Es ist ein positives Buch. Auch wenn Andrew als Vater und Ehemann versagt hat,  berichtet er am Ende von  Mark Twain, wie er Geschichten erfindet, damit seine kleinen Mädchen besser einschlafen. Wie er ihr Beschützer ist und die Welt ist ein behaglicher und sicherer Ort, wie sie sich, wenn sie erwachsen sind, an seine Geschichten erinnern und lachen vor lauter Liebe zu ihrem Vater.Wie das seine Erlösung ist.

Und damit wird auch deutlich: wir sind nicht nur ein Produkt unseres Gehirns, einer riesigen Ansammlung von Nervenzellen, das wäre eine schreckliche Vorstellung von unserem Selbst, gefangen in unserem Kopf. Vielmehr ist das Bewusstsein  ein mit der Welt verbundener dynamischer Vorgang,  das verdeutlicht uns Doctorow im oben angeführten abschließenden Satz dieses wunderbaren Romans: die Welt, die uns umgibt, ist keine Illusion.

Buchcover, Verlag Kiepenheuer & Witsch
Buchcover, Verlag Kiepenheuer & Witsch

 

 

Titel der Originalausgabe: Andrew’s Brain
Aus dem amerikanischen Englisch von Gertraude Krueger
ISBN: 978-3-462-04812-4
Erschienen am: 17.08.2015
208 Seiten, gebunden

Guillermo Martinez: Roderers Eröffnung

Dieser kurze Roman des Argentiniers  Guillermo Martinez (Jhg. 1962)erschien, obwohl bereits 1992 im Original veröffentlicht,  in deutscher Übersetzung erst 2010, als Argentinien Gastland der Frankfurter Buchmesse war.

Guillermo Martinez in Miami 2014; Quelle:Wikipedia
Guillermo Martinez in Miami 2014; Quelle:Wikipedia

Der Titel führt etwas in die Irre: Von Schach handelt das Buch nur am Anfang, als der namenlose Ich-Erzähler, ein junger Mann, der Schriftsteller werden möchte,  in einer zwielichtigen Bar in Puente Viejo, einem kleineren Ort am Meer, den neu zugezogenen Gustavo Roderer trifft, mit ihm eine Partie Schach spielt und verliert. Für den Erzähler eine Demütigung, denn er ist der beste Spieler am  Ort und außerdem Jahrgangsprimus auf dem Gymnasium. Er schildert Roderer zunächst undifferenziert als unsympathischen Sonderling: Roderer hatte etwas an sich, das den geringsten körperlichen Kontakt unvorstellbar machte…  „Guillermo Martinez: Roderers Eröffnung“ weiterlesen

:Michael Cunningham: In die Nacht hinein

Der 1952 in Cincinnati, Ohio, geborene Michael Cunningham, hat mit seinem in 22 Sprachen übersetzten Roman The Hours (deutsch: Die Stunden) 1999 den Pulitzer-Preis für Literatur erhalten, der 2002 auch mit einer Starbesetzung verfilmt worden ist. Michael Cunningham lebt heute in New York und unterrichtet Creative Writing am Brooklyn College.  In die Nacht hinein(By Nightfall) ist sein fünfter Roman. 

Literaturblog Literatur und Schreiben
Michael Cunningham (Quelle: David Shank)

Denn das Schöne ist nichts

als des Schrecklichen Anfang“

mit diesem wenig ermutigenden Hinweis Rilkes aus den Duineser Elegien stimmt uns Cunningham ein in das Geschehen, das uns in die zeitgenössische New Yorker Kunstszene führt, zum gutsituierten Ehepaar Rebecca und Peter Harris, beide um die Vierzig, residierend in einem standegemäßen Loft in Soho, Manhattan. Auf einer Hin-und Rückfahrt im Taxi zum Pflichtbesuch einer Party erfährt man sogleich die markanten Umrisse der Lebensumstände des Paares. Rebecca, die Redakteurin eines Kunst-und Kulturmagazins und Peter, der Galerist moderner Kunst,  erwarten den Besuch von Rebeccas kleinem, fast zwanzig Jahre jüngeren Bruder Missy, der gerade vom Meditieren aus Japan zurückgekommen ist, ein Drogenproblem hat und jetzt auch „Irgendwas mit Kunst“ machen will. Peter, aus dessen alleiniger Perspektive die Handlung aufgebaut wird, beschreibt die Stimmungslage selbst:  „:Michael Cunningham: In die Nacht hinein“ weiterlesen